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Verspottung Christi

Karel Škréta, Verspottung Christi, 1630, Öl auf Leinwand, 115 x 90 cm, Belvedere, Wien, Inv.-Nr ...
Verspottung Christi
Karel Škréta, Verspottung Christi, 1630, Öl auf Leinwand, 115 x 90 cm, Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 1654
Dieses Werk ist Teil der Open Content Policy des Belvedere, ist zum Download freigegeben und unterliegt der Creative Commons Lizenzvertrag Creative Commons License CC BY-SA 4.0.

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  • Datierung1630
  • Künstler*in (1610 Prag – 1674 Prag)
  • ObjektartGemälde
  • Material/TechnikÖl auf Leinwand
  • Maße
    115 x 90 cm
  • SignaturMonogr. und dat. auf der Sessellehne: CSF 163[0]
  • Inventarnummer1654
  • Standort Derzeit nicht ausgestellt
  • Inventarzugang1914 Ankauf Andreas Wildhack, Wien
  • Bei dieser Darstellung der Verspottung Christi handelt es sich um das bislang früheste bekannte Werk des böhmischen Barockmalers Karel Škréta. Der Künstler hat es auf der rechten Sessellehne mit seinen Initialen versehen und datiert. Wenngleich die Jahreszahl nicht mehr gänzlich leserlich ist, so ist das Bild mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 1630 vollendet worden.

    Zu dieser Zeit hielt sich der gebürtige Prager nicht mehr in seiner Heimat auf; bereits 1627 hatte er seine Geburtsstadt verlassen. In diesem Jahr war Kaiser Ferdinands II. "Verneuerte Landesordnung" in Böhmen in Kraft getreten, die den Katholizismus zur einzig zulässigen Konfession erklärte und Andersgläubigen als Alternativen nur die Konversion oder das Exil bot. Bisher wurde angenommen, dass Škréta, wie einige aus seiner Familie, wegen seines protestantischen Glaubens das Land verließ. Er selbst hat nach seiner Rückkehr nach Prag – zwischenzeitlich bekehrt – als Grund für seine rund zehn Jahre währende Reise jedoch immer wieder die Perfektionierung der eigenen künstlerischen Fähigkeiten und Erfahrungen angeführt. In dieser Hinsicht besonders prägend sollte für Škréta sein mehrjähriger Aufenthalt in Italien werden, der ihn u. a. in die Kunstzentren Venedig, Bologna und Rom führte. Frühestens im Jahr 1630 brach er in den Süden auf; das vorliegende Gemälde ist noch vor dieser für seinen Stil so wegweisenden Reise entstanden.

    Vor allem die nordalpine Kunst des vorausgegangenen 16. Jahrhunderts scheint in der "Verspottung Christi" als Vorbild wirksam gewesen zu sein. Schon früh haben Forscher einen Cranach’schen Einfluss konstatiert, der es, angesichts seiner zeitweiligen Unauffindbarkeit und seiner Sonderrolle im Œuvre des Künstlers, geradezu legendär werden ließ. Aber das Bild ist formal auch der künstlerischen Tradition von Škrétas heimischem Umfeld verpflichtet – der Kunst am Hof Rudolfs II. Im Jahr 1583 ließ dieser Kaiser seine Residenz von Wien nach Prag verlegen, wodurch die Stadt an der Moldau eine politische und kulturelle Blüte erlebte. Škréta selbst wurde in die Zeit der nachfolgenden Krise hineingeboren, als Rudolf II. abdanken musste und dessen Hofmaler – Joseph Heintz d. Ä. (1609), Bartholomäus Spranger (1611), Paulus van Vianen (1614), Hans von Aachen (1615) – in kurzen Abständen hintereinander verstarben. Insbesondere der Letztverschiedene ist als stilistische Bezugsgröße für die "Verspottung Christi" anzuführen.

    Škréta hat in dem Gemälde den Moment in der Passion Christi dargestellt, als der Heiland nach dem Verhör bei Kaiphas den Schergen übergeben worden ist und diese ihn schlagen, anspucken und verhöhnen (Mt 26,67; Mk 14,65; Lk 22,63-55). Diese Szene ist nicht zu verwechseln mit der Dornenkrönung nach dem zweiten Verhör bei Pilatus, die als Thema in der Kunst wesentlich häufiger aufgegriffen worden ist. Der rechts am Bildrand stehende Peiniger packt Christus am Schopfhaar und reißt ihm den Kopf zurück, während dem Geläuterten Spucke (keine Tränen!) über die Wange rinnt. Vermutlich stammt das Sekret vom zweiten Schergen im dunklen, einem Talar aus der Lutherzeit ähnelnden – und damit an Cranach erinnernden – Gewand, der sein Gesicht zu einer Grimasse verzogen hat. Der dritte im Bunde blickt und gestikuliert in Richtung des Opfers der Verspottung. Christus selbst ist deutlich idealisierter als seine grobschlächtigen Peiniger dargestellt. Auch in der Art des Farbauftrags unterscheiden sich die Figuren: Während die Spötter in freier, zuweilen pastoser Malweise ausgeführt sind, weisen Gewand und Inkarnat des Heilands einen eher glatten Strich und eine weiche und differenzierte Oberflächenmodellierung auf.

    Für alle Figuren gleichermaßen verbindend ist hingegen ihre expressive Gestik. In der jüngeren Forschung ist diese mit John Bulwers Werk zur natürlichen Sprache der Hände, "Chirologia" (London 1644), in Verbindung gebracht worden. Die Publikation enthält sogenannte Chirogramme, in denen Hand- und Fingergesten mit ihrer jeweiligen Bedeutung aufgeführt sind. Die Handbewegung des linken Schergen, bei der Mittel- und Ringfinger mit dem Daumen zusammengeführt werden, während Zeige- und kleiner Finger abgespreizt sind, entspricht den Spottgesten "Stultitiae notam infigo" und "Exprobrabit". Sie sind auch als "Horn" bekannt und verhöhnen Christus als Dummkopf und Tor. Der Peiniger mit roter Haube hingegen tut mit dem Gestus der "Feige" seine Abneigung gegenüber dem Heiland kund. Diese Handhaltung, bei der der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger geführt wird, hat eine sexuelle Konnotation; bei Bulwer steht sie als "Improbitatem objicio" für Maßlosigkeit und Unverschämtheit. Christus‘ ineinander verschränkte Hände ähneln schließlich Bulwers "Ploro"-Gestus, mit dem dessen stiller Klage in seiner ausweglosen Situation Nachdruck verliehen wird. Durch den Einsatz solch expliziter und wirkmächtiger Gesten sollte der Betrachter zum emotionalen Nachvollzug des dargestellten religiösen Geschehens – in diesem Fall zu Jesu Erniedrigung und völligem Ausgeliefertsein – angehalten werden.

    [Maike Hohn/Georg Lechner, 11/2017]