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Ohne Titel

Andy Boot, Ohne Titel, 2012, Holz, Klebeband, Isolierschaum, 156 × 74,5 × 20 cm, Belvedere, Wie ...
Ohne Titel
Andy Boot, Ohne Titel, 2012, Holz, Klebeband, Isolierschaum, 156 × 74,5 × 20 cm, Belvedere, Wie ...
Andy Boot, Ohne Titel, 2012, Holz, Klebeband, Isolierschaum, 156 × 74,5 × 20 cm, Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 10870
© Bildrecht, Wien 2024
Diese Bilddateien werden ausschließlich für privaten Gebrauch zur Verfügung gestellt. Für jegliche Art von Veröffentlichung/ kommerzieller Nutzung kontaktieren Sie bitte unsere Reproabteilung.
  • Datierung2012
  • Künstler*in (geboren 1987 in Sydney)
    • GND
  • ObjektartObjekt
  • Material/TechnikHolz, Klebeband, Isolierschaum
  • Maße
    156 × 74,5 × 20 cm
  • Signaturunbezeichnet
  • Inventarnummer10870
  • Standort Derzeit nicht ausgestellt
  • CreditlineSchenkung des Künstlers
  • Inventarzugang2012 Schenkung des Künstlers
  • Die Frage nach dem Status der Oberfläche ist bei Andy Boot ein Reflektieren von Materialitäten und Funktionalitäten. Durch die Gleichsetzung von Musterung mit Materialität und Malerei mit Ornamentik stellt er die Oberflächen, die wir wahrnehmen, über Form und Funktion. Das Ornament und seine Wiederholung spiegeln bei ihm eine Realität wider, in der Sein, Sichpräsentieren und Sichrepräsentieren zunehmend verschwimmen.

    "Ohne Titel" besteht aus der Rückwand eines Ikea-Schranks, die an einem Holzklotz befestigt ist. Als Teil des Möbels hat diese die Funktion, den dahinterliegenden Raum zu kaschieren bzw. eine Wand vor der Wand zu sein, die das Behältnis vom Raum abgrenzt. Durch das Isolieren des Elements reduziert Boot die Rückwand auf ihre visuelle Funktion und verwandelt sie in einen Raumtrenner.

    Für e who remained was M lässt Boot in Farbe getauchte Nudeln auf die auf dem Boden liegende Leinwand fallen. Daraus ergibt sich ein neo-abstrakt-expressionistisches Muster, das das gestische Moment ob seiner Absurdität zum Ornament degradiert und dabei das Prozessuale als Illusionismus karikiert.

    [Severin Dünser, 04/2016]

    Überfläche ist der Titel der Ausstellung von Andy Boot, die im November 2012 als erste Ausstellung des 21er Raum eröffnet wurde. Der Titel suggeriert zwei Dinge: einerseits, dass da etwas ist, was über der Oberfläche liegt, und andererseits, dass dieses Etwas erhaben ist. In einer Gegenwart in der wir ständig von Bildern umgeben sind, dringt der Untergrund immer seltener durch die glänzenden Oberflächen. Nicht der gläserne Mensch ist Realität geworden, sondern das Individuum als mediale Entität. Diese immer stärker verschwimmende Grenze zwischen Sein, Präsentieren und Repräsentieren ist Ausgangspunkt der Beschäftigung Boots mit Oberflächen und Mustern. Aber was für Flächen sind in Boots Ausstellung zu sehen? Da gibt es das Bacterio Muster, 1978 von Ettore Sottsass entworfen, das sich einer eindeutigen Identifizierung entzieht, und zwischen abstrakt und gegenständlich oszilliert. Der Designer verwendete es als Laminat für seine Memphis Möbel, um Materialität und Struktur zu negieren, und – es als industrielles Muster wiederholend – zur eigenständigen Antiform zu erheben. Boot appliziert das Muster einmal auf eine auf Rollen stehende Skulptur, die selbst aus Trägermaterial – in dem Fall Regalbrettern – besteht, das zweite Mal taucht es als in sich selbst ruhendes Objekt auf: Als pures Laminat, unentschlossen, ob es Material oder Oberfläche sein soll. Bei sharpies thumb ist eine Leinwand recht unprätentiös mit schwarzer Farbe übermalt worden, darüber hat Boot ein Bild kaschiert, das zwei Burschen zeigt, die sich im Zuge eines missglückten Einbruchs mittels Filzstift die Gesichter unkenntlich machen wollten. Die Geste der Übermalung markiert hier in doppelter Weise den schmalen Grat auf dem die Oberfläche wandelt: zwischen Verschönerung und Verschleierung. Auch Ohne Titel spielt auf zwei unterschiedlichen Ebenen darauf an. Zum einen ist der Bronzeabguss eines Makeups in ein Holzbrett eingelassen, die ursprüngliche Funktion dadurch verfremdet und verschleiert. Aber die Oberflächenstruktur des Makeups gibt immer noch den Charakter des Produkts wieder, das da auf die eigene Haut aufgetragen werden wollte. Kein Makeup, eher ein Backup stellt eine weitere Skulptur aus einer Schrankrückwand dar. Sie markiert gleichzeitig das Ende eines Behältnisses und kaschiert den dahinter liegenden Raum. Ähnlich wie eine Leinwandarbeit, die weiß grundiert ist – bis auf ein aufgemaltes X. Als ein aus Grafikprogrammen entlehntes Symbol steht das X als Platzhalter für ein noch zu definierendes Bild, hier also für eine selbstreferentielle Metapher von Acryl auf Leinwand. Eine weitere Definition von Bild und Malerei findet sich in einer hellblau bemalten Leinwand, über die Boot kleine Katzensticker geklebt hat. Das Gestische der Abstraktion wird hier zur reinen Übertünchung der Fläche ironisiert, die Sticker darüber laden dazu ein ihre fellige Oberfläche zu betasten: seine Dekoration will als sinnliche Figuration verstanden werden. Auch die größte Arbeit der Ausstellung schreckt nicht vor einem Seitenhieb auf Pollock zurück. Für e who remained was M lässt Boot in Farbe getauchte Nudeln auf die am Boden liegende Leinwand fallen. Daraus ergibt sich ein neo-abstraktexpressionistisches Muster, das das gestische Moment ob seiner Absurdität

    zum Ornament degradiert, und damit dem Illusionismus in seinen Bildern wieder Tür und Tor öffnet. Ähnliches passiert auch bei Untitled (ambassador), einem Betonzylinder, in dessen Oberseite der Innenraum eines Martiniglases (nach einem Entwurf von Oswald Haerdtl) ausgespart wurde – es ist nur noch als Zeichen lesbar und seiner Funktion beraubt.

    Die Frage nach dem Status der Oberfläche ist bei Andy Boot ein Reflektieren von Materialitäten und Funktionalitäten. Durch die Transformation von Mustern in Materialien, Gesten und Malerei in Ornamente und Dekoration, und das alles auch vice versa, stellt er die Oberflächen, die wir wahrnehmen, über Form und Funktion. Das Ornament und seine Wiederholung ist bei ihm kein Verbrechen mehr, sondern spiegelt eine Realität wieder. Eine Wirklichkeit in der Sein, sich Präsentieren und sich Repräsentieren zunehmend verschwimmen und selbst das Ich als mediatisierte Entität gedacht und gelebt wird. Das Individuum ist zu einer Leinwand mit möglichst großer Oberfläche geworden, zu einer Überfläche: I am the message, because I am the medium. (Severin Dünser, 11/2012)